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Kirchengericht:Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen
Entscheidungsform:Urteil (rechtskräftig)
Datum:03.06.2003
Aktenzeichen:VK 11/02
Rechtsgrundlage:BeihVO § 1
BVO NRW § 3 Abs. 1 Nr. 1
GOÄ § 6 Abs. 1
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Beihilfe, GOZ, GOÄ, Zahnärztliche Leistungen
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Leitsatz:

  1. Bei der Abrechnung zahnärztlicher Leistungen ist grundsätzlich das Gebührenverzeichnis für zahnärztliche Leistungen (GOZ) anzuwenden und nicht das allgemeine Gebührenverzeichnis für Ärzte (GOÄ).
  2. Zu einzelnen Nummern der GOZ und GOÄ.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
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Tatbestand:

Zwischen den Verfahrensbeteiligten ist die Beihilfefähigkeit bestimmter Aufwendungen im Krankheitsfall streitig.
Im März 2002 wurde die Klägerin durch den Arzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Dr. R ärztlich behandelt. Die Rechnung vom 4. April 2002 über 695,28 Euro reichte sie mit Antrag vom 8. April 2002 bei der Beklagten ein. Mit Bescheid vom 30. April 2002 lehnte die Beklagte vorläufig die Anerkennung der Aufwendungen als beihilfefähig ab, weil die Rechnung keine Diagnose oder Ähnliches enthielt. Mit Schreiben vom 17. Mai 2002 legte die Klägerin die Rechnung erneut vor, diesmal mit einer vor der Behandlung angefertigten Röntgenaufnahme. Die Beklagte holte ein amtsärztliches Gutachten ein, das das Gesundheitsamt der Stadt Bielefeld am 5. Juli 2002 erstattete. Daraufhin erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Juli 2002 155,40 Euro als beihilfefähig an und lehnte den Antrag im Übrigen ab. Mit Schreiben vom 17. Juli 2002 legte die Klägerin Widerspruch ein und reichte mit Schreiben vom 12. August 2002 eine revidierte Rechnung ihres Arztes vom 8. August 2002 ein, die auf 632,26 Euro ermäßigt war. Mit Bescheid vom 30. August 2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach Klageerhebung hat die Beklagte mit Bescheid vom 25. Oktober 2002 unter Erhöhung der beihilfefähigen Aufwendungen auf 273,74 Euro eine weitere Beihilfe in Höhe von 59,17 Euro bewilligt und damit die Beihilfe insgesamt auf 136,87 Euro erhöht, eine darüber hinausgehende Beihilfegewährung aber unter Bezugnahme auf das amtsärztliche Zusatzgutachten vom 10. Oktober 2002 abgelehnt.
Nicht anerkannt und nach wie vor streitig ist die Beihilfefähigkeit für folgende Ansätze nach dem Gebührenverzeichnis für Ärzte (GOÄ), die die Beklagte in vollem Umfang abgelehnt hat:
GOÄ
Nr. 70
Arbeitsunfähigkeitskurzbescheinigung
5,36 €
GOÄ
Nr. 2675
Partielle Vestibulumplastik
113,95 €
GOÄ
Nr. 444
Ambulanzzuschlag (Op<1200 Punkte)
75,77 €
GOÄ
Nr. 2007
Fäden entfernen
5,36 €
Anästheticum
3,40 €
Nahtmaterial
4,45 €
zusammen
208,29 €
Ferner sind die beiden folgenden Positionen streitig, bei denen die Beklagte an Stelle der ärztlicherseits genannten Nummer der allgemeinen GOÄ die entsprechende Gebührennummer des speziellen Gebührenverzeichnisses für zahnärztliche Leistungen (GOZ) angesetzt hat, was zu einem geringeren Betrag führte, und zwar
– eingehende Untersuchung
an Stelle von
GOÄ
Nr. 6
13,41 €
GOZ
Nr. 001
12,92 €
Differenz 0,49 €
– Implantation alloplastischen Materials
an Stelle von
GOÄ
Nr. 2442
120,65 €
GOZ
Nr. 412 a
35,58 €

Streitig ist schließlich der Ersatz der Positionen
GOZ
Nr. 311
Resektion der Wurzelspitze, Frontzahn
59,90 €
und
GOZ
Nr. 319
Zystektomie bei Wurzelspitzenresektion
34,93 €
zusammen
94,83 €
durch
GOZ
Nr. 317
Operation einer Zyste durch Zystostomie in Verbindung mit einer Wurzelspitzenresektion
9,76 €
Differenz
65,07 €
im Rahmen des GOZ-Gebührenverzeichnisses durch die Beklagte.
Die Klägerin verfolgt mit der Klage ihr Anliegen der Anerkennung der Beihilfefähigkeit aller ihr von ihrem Arzt in Rechnung gestellten Positionen weiter. Mit der Nichtanerkennung behaupte die Beklagte, dass Leistungen in Rechnung gestellt worden wären, die nicht erbracht worden seien. Dies treffe nicht zu.
Sie beantragt sinngemäß,
unter Änderung der Bescheide der Beklagten vom 30. April, 10. Juli und 25. Oktober 2002 und Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 30. August 2002 die von der Beklagten zu gewährende Beihilfe zu den der Klägerin auf Grund der Rechnung von Dr. R. vom 8. August 2002 entstandenen Aufwendungen von insgesamt 632,26 Euro ohne Kürzungen festzusetzen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Klage abzuweisen.
Abgesehen von der im Klageverfahren mit Bescheid vom 25. Oktober 2002 erfolgten Nachberechnung hält sie an ihrer ablehnenden Auffassung im Verwaltungsvorverfahren fest.
Bezug genommen wird wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten allgemein auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
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Entscheidungsgründe:

Die Klage ist teilweise begründet.
Der beihilfeberechtigten Klägerin stehen gemäß § 1 der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen bei Krankheit, Geburt und Tod (Beihilfenverordnung – BeihVO) vom 29. April 1992 (Kirchliches Amtsblatt – KABl. 1992 S. 102 ff.) Beihilfen in entsprechender Anwendung der für die Beamten des Landes Nordrhein-Westfalen jeweils geltenden Beihilfebestimmungen zu. Maßgebend ist die Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen des Landes Nordrhein-Westfalen (BVO NRW) vom 27. März 1975 (Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Nordrhein-Westfalen – GV NRW – 1975, 332 ff.), hier anzuwenden in der Fassung der Verordnung vom 16. Dezember 1999 (GV NRW 1999, 673 ff.). Der für die Klägerin maßgebende Beihilfebemessungssatz beträgt gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a BVO NRW fünfzig vom Hundert.
Die Klägerin ist durch die angefochtenen Beihilfebescheide in ihrem Recht auf Gewährung einer Beihilfe im Krankheitsfall verletzt, weil die Beklagte die Beihilfe um 26,39 Euro (32,53 Euro abzüglich 6,15 Euro) zu niedrig festgesetzt hat.
Die Beklagte hat die Beihilfe um 26,39 Euro zu niedrig angesetzt, denn sie hat beihilfefähige Aufwendungen teils mit zu hohen und teils mit zu niedrigen Beträgen berücksichtigt.
Sie hat zu Unrecht für die Operation einer Zyste durch Zystektomie und eine Wurzelspitzenresektion an Stelle der in Rechnung gestellten Sätze nach den Nummern 311 und 319 GOZ lediglich die Gebühren nach Nr. 317 GOZ als beihilfefähig anerkannt. Zunächst ist festzustellen, dass beide Nummern nebeneinander berechnungsfähig sind. Ein Ersatz durch die Nr. 317 GOZ kommt nicht in Betracht, da die jeweiligen Nummern unterschiedliche Operationsmethoden bei Kieferzysten betreffen. Der Unterschied besteht im Wesentlichen darin, dass bei der Zystektomie der Zystenbalg vollständig entfernt, während er bei der Zystostomie größtenteils belassen wird (vgl. wegen der Einzelheiten Meurer, GOZ, Kommentierung, Seite XXII; u. A. m.).
Mit der sich hieraus ergebenden Erhöhung der beihilfefähigen Aufwendungen um 65,07 Euro und der daraus resultierenden Beihilfeerhöhung um 32,54 Euro ist jedoch zu verrechnen ein zu hoher Ansatz beihilfefähiger Aufwendungen für das Einbringen alloplastischen Materials mit 35,58 Euro an Stelle des zutreffenden Satzes von 23,28 Euro (Differenz 12,30 Euro) und die daraus resultierende Beihilfeverminderung um 6,15 Euro, sodass die zu gewährende Beihilfe im Ergebnis nur um 26,39 Euro zu erhöhen ist.
Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
Bei den weiteren streitigen Positionen hat es die Beklagte zu Recht abgelehnt, der Beihilfeberechnung höhere Aufwendungen für zahnärztliche Behandlungen zu Grunde zu legen als geschehen, weil die geltend gemachten höheren Aufwendungen keine angemessenen notwendigen Aufwendungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVO NRW sind.
Sie hat zu Recht bei zwei Aufwandspositionen an Stelle der allgemeinen GOÄ, die in der eingereichten Rechnung genannt sind, die Gebührensätze der speziellen GOZ angewendet. Erbringen Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen wie der Arzt der Klägerin Leistungen, die im Gebührenverzeichnis für zahnärztliche Leistungen nach der GOZ aufgeführt sind, so sind die Vergütungen für diese Leistungen gemäß § 6 Abs. 1 GOÄ nach den Vorschriften der GOZ und nicht der GOÄ zu berechnen. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gebührenverzeichnis zur GOZ die vergütungsauslösenden zahnärztlichen Leistungen vollständig beschreibt. Selbst dann, wenn für die erbrachte Leistung sowohl eine Gebühr in der GOZ als auch in der GOÄ enthalten sein sollte, müssen zahnärztliche Leistungen nach der GOZ berechnet werden. Der Arzt hat kein Wahlrecht. Dies trifft in vollem Umfang auf die beiden Positionen zu, bei denen die Beklagte an Stelle der Gebührensätze der GOÄ die Gebührensätze der GOZ angewandt hat.
So ist die „eingehende Untersuchung“ sowohl in Nr. 6 der GOÄ für den allgemeinen ärztlichen Bereich geregelt als auch in Nr. 001 GOZ für die zahnärztliche Behandlung. Die Auffassung des behandelnden Arztes, dass die Nr. 6 GOÄ „einen ganz anderen Inhalt“ habe als Nr. 001 GOZ trifft nicht zu. In Nr. 6 GOÄ ist anders als in Nr. 001 GOZ lediglich detailliert erläutert, was unter einer „eingehenden Untersuchung“ zu verstehen ist.
Gleiches gilt für „das Einbringen alloplastischen Materials“, das in Nr. 2442 GOÄ aufgeführt ist, aber ebenso in Nr. 411 der GOZ mit „Auffüllen paradontaler Knochendefekte mit alloplastischem Material“.
Die Beklagte hat zu Recht den Ansatz einer Gebühr nach GOÄ Nr. 2442 mit 120,65 Euro abgelehnt. An ihrer Stelle sind nach GOZ Nr. 411 nur 23,28 Euro als beihilfefähig anzusetzen. Nicht gerechtfertigt ist die Anwendung der Nr. 412 GOZ analog mit dem Satz von 35,58 Euro durch die Beklagte, denn eine Membraneinbringung, die die analoge Anwendung der Nr. 412 GOZ rechtfertigen könnte, lag nicht vor. In seinem Schreiben an die Klägerin vom 9. August 2002 hat der behandelnde Arzt ausdrücklich ausgeführt, dass auf Membran-Abdeckung verzichtet werden konnte.
Zu Recht hat es die Beklagte abgelehnt, die Aufwendungen der Klägerin für die Arbeitsunfähigkeitskurzbescheinigung (Ansatz nach GOÄ 70 mit 5,36 Euro) als beihilfefähig anzuerkennen, denn es handelt sich nicht um eine Aufwendung zur Wiedererlangung der Gesundheit nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVO) sondern um eine Aufwendung zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit gegenüber dem Arbeitgeber in Blick auf das Fernbleiben vom Arbeitsplatz.
Ebenfalls zu Recht hat es die Beklagte abgelehnt, die Aufwendungen der Klägerin als beihilfefähig anzuerkennen, die ihr durch die Inrechnungstellung eines Ambulanzzuschlags nach GOÄ 444 mit 75,77 Euro entstanden ist. Eine solche Berechnung ist unzulässig, denn die anzuwendende GOZ sieht einen solchen Zuschlag nicht vor.
Die Beklagte hat es auch zu Recht abgelehnt, die Aufwendungen der Klägerin für das gesondert in Rechnung gestellte Entfernen von Fäden (GOÄ 2007 5,36 Euro) als beihilfefähig anzuerkennen. Die nach GOZ Nr. 330 mit 8,41 Euro in Rechnung gestellte Nachbehandlung umfasst auch das Entfernen von Fäden, denn es ist methodisch notwendiger Bestandteil der Nachbehandlung (siehe hierzu auch die allgemeinen Bestimmungen Abs. 1 Satz 2 in Abschn. L Chirurgie der GOÄ). Insoweit folgt die Kammer auch der Aussage im amtsärztlichen Gutachten vom 5. Juli 2002 zur Nichtanwendung der Nr. 2675 GOÄ mit 113,95 GOÄ.
Schließlich hat es die Beklagte zu Recht abgelehnt, die Aufwendungen der Klägerin für in Rechnung gestellte Anästhetica (3,40 Euro) und Nahtmaterial (4,45 Euro) als beihilfefähig anzuerkennen, deren gesonderte Berechnung weder nach der GOZ noch der GOÄ vorgesehen ist. Vielmehr ist in § 4 Abs. 3 GOZ festgelegt, dass grundsätzlich mit der Leistungsgebühr auch die Praxiskosten einschließlich des Sprechstundenbedarfs abgegolten sind, ebenso in § 10 Abs. 2 Nr. 1 GOÄ, dass Kleinmaterialien nicht berechnet werden können.
Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin hat die Beklagte in keinem Fall ihre Ablehnung darauf gestützt, dass der behandelnde Arzt eine Leistung nicht erbracht habe. In allen Punkten ging es nur um die Zulässigkeit einzelner Ansätze dem Grunde und der Höhe nach.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 66 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsgesetz (VwGG).