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Kirchengericht:Schlichtungsstelle nach dem MVG der Evangelischen Kirche von Westfalen (2. Kammer)
Entscheidungsform:Beschluss (nicht rechtskräftig)
Datum:03.05.2018
Aktenzeichen:2 M 80/17
Rechtsgrundlage:§ 3 Abs. 4 AVR.DD, § 72 a Abs. 1 SGB VIII i. V. m. § 30 a BZRG
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Datenschutzrecht, Einrichtung der Jugendhilfe, Herausgabeanspruch, Personalakte, Unterlassungsanspruch, Vorlage von Führungszeugnissen, Weitergabe an Dritte, erweitertes Führungszeugnis, hauptamtliche Mitarbeiter
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Leitsatz:

Vorlage von Führungszeugnissen. Die Mitarbeitervertretung in einer Einrichtung der Jugendhilfe kann aus eigenem Recht nicht verlangen, dass erweiterte Führungszeugnisse, die von hauptamtlichen Mitarbeitenden nach §§ 72 a Abs. 1 SGB VIII, 30 a BZRG vorgelegt werden müssen, an diese nach der Vorlage wieder herausgegeben werden müssen. Sie hat auch keinen Anspruch darauf, dass erweiterte Führungszeugnisse nicht einbehalten werden und in die von der Dienststelle geführten Personalakten abgeheftet werden. Auch datenschutzrechtliche Vorschriften können ein derartiges Verlangen nicht begründen.

Tenor:

Die Anträge der Mitarbeitervertretung werden abgewiesen.

Gründe:

A.

Die Antragsgegnerin ist eine bundesweit tätige Jugendhilfeeinrichtung. Sie betreibt u.a. in xx eine Dienststelle, in der Jugendliche mit Erziehungsschwierigkeiten in Wohngruppen und ambulanten Hilfen betreut werden. In dieser Einrichtung werden ca. 50 Mitarbeitende beschäftigt. Individualrechtlich finden die Arbeitsvertragsrichtlinien der Diakonie Deutschland – AVR.DD – Anwendung.
In der Einrichtung in xx ist eine dreiköpfige Mitarbeitervertretung gewählt, die Antragstellerin des vorliegenden Verfahrens.
Die Beteiligten streiten über den Umgang mit erweiterten Führungszeugnissen, die von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach § 3 Abs. 4 AVR.DD sowie § 72 a SGB VIII bei Einstellung sowie alle fünf Jahre vorgelegt werden müssen. Diese erweiterten Führungszeugnisse werden von der Dienststelle in der in Papierform geführten Personalakte des jeweiligen Mitarbeitenden abgeheftet.
Ende 2016 wurde von der Personalverwaltung in einem Einzelfall auf Anfrage eines Jugendamtes die Kopie eines erweiterten Führungszeugnisses – nach Angaben der Dienststelle versehentlich – herausgegeben. Nach Bekanntwerden des Vorfalles wurde von der Dienststelle sichergestellt, dass sich ein solcher Vorfall nicht wiederholt. Aufgrund dieses Vorfalles rügte die Mitarbeitervertretung gegenüber der Dienststelle, dass sie nicht berechtigt sei, erweiterte Führungszeugnisse zu behalten, in der Personalakte zu verwahren und ohne Zustimmung des betroffenen Mitarbeitenden an Dritte zugänglich zu machen. Nachdem die Mitarbeitervertretung auf ihr Schreiben vom 03.08.2017 (Bl. 10 d.A.) zunächst keine Rückmeldung erhielt, teilte die Dienststelle mit Schreiben vom 22.09.2017 mit, dass der Umgang mit polizeilichen Führungszeugnissen nicht Gegenstand einer Dienstvereinbarung sein könne; derartige Führungszeugnisse würden von der Personalabteilung weder im Original noch in Kopie an Dritte weitergegeben, sie könnten allenfalls auf Anforderung des jeweiligen Mitarbeitenden an diese zurückgesendet werden.
Mit Schreiben vom 25.09.2017 (Bl. 12 d.A.) erklärte die Mitarbeitervertretung daraufhin die innerbetrieblichen Einigungsbemühungen als gescheitert und beantragte die Kostenübernahme für die Einschaltung von Anwälten. Die Dienststelle widersprach dem mit Schreiben vom 29.09.2017 (Bl. 26 d.A.).
Mit Antrag vom 27.09.2017, bei der Schlichtungsstelle eingegangen per Fax am 27.09.2017, im Original am 04.10.2017, leitete die Mitarbeitervertretung daraufhin das vorliegende Verfahren bei der erkennenden Schlichtungsstelle ein.
Die Mitarbeitervertretung ist der Auffassung, die Dienststelle sei verpflichtet, die in ihrem Besitz befindlichen erweiterten Führungszeugnisse an die Mitarbeitenden der Dienststelle xx herauszugeben. Sie dürfe ferner diese erweiterten Führungszeugnisse der Mitarbeitenden nicht einbehalten und in der Personalakte abheften. Mindestens müsse es die Dienststelle unterlassen, die in ihrem Besitz befindlichen erweiterten Führungszeugnisse Dritten zugänglich zu machen.
§ 3 Abs. 4 AVR.DD sowie § 72 a Abs. 1 SGB VIII regelten ausdrücklich, dass die erweiterten Führungszeugnisse von den Mitarbeitenden lediglich vorzulegen seien. Eine derartige Vorlage sei nicht gleichzusetzen mit einem Einbehalt oder gar mit einem Abheften in der Personalakte. Bereits der Wortlaut des Begriffes „Vorlage“ schließe es aus, dass hierunter das Recht zu verstehen sei, das erweiterte Führungszeugnis zur Personalakte zu nehmen. Dies ergebe sich auch aus § 72 a Abs. 5 SGB VIII, der analog anzuwenden sei, auch wenn in der Einrichtung in xx keine neben- und ehrenamtlich tätige Mitarbeiter beschäftigt seien. In § 72 a Abs. 5 SGB VIII sei ausdrücklich geregelt, welche Daten gespeichert werden dürften. Sinn und Zweck des § 72 a SGB VIII sei es, einschlägig vorbestrafte Personen von einer Tätigkeit in einer Jugendhilfeeinrichtung auszuschließen. Dieser Sinn und Zweck des § 72 a SGB VIII werde auch erfüllt, wenn die erweiterten Führungszeugnisse nicht in der Personalakte abgeheftet würden, sondern den betroffenen Mitarbeitenden nach Einsichtnahme wieder ausgehändigt würden. Für die Feststellung, ob einschlägige Vorstrafen bei der betreffenden Person vorhanden sind, sei es nicht erforderlich, das vorgezeigte erweiterte Führungszeugnis auch zu archivieren. Die Einsichtnahme und ein entsprechender Vermerk über das Nichtvorhandensein von einschlägigen Vorstrafen seien völlig ausreichend. Das erweiterte Führungszeugnis sei danach dem betreffenden Mitarbeitenden wieder mitzugeben. Für die hauptberuflich in einer Jugendhilfeeinrichtung tätigen Mitarbeitenden könne nichts anderes gelten als für die ehrenamtlich Tätigen.
Darüber hinaus seien auch die Regelungen in § 75 SGB XII zu berücksichtigen. Mit der Einführung des Bundesteilhabegesetzes mit Wirkung zum 01.01.2017, mit dem § 75 SGB XII erweitert worden sei, sei in § 75 Abs. 2 Satz 3 und 5 SGB XII ausdrücklich geregelt, was gespeichert werden dürfe. Auch hieraus ergebe sich, dass die Dienststelle nicht berechtigt sei, erweiterte Führungszeugnisse ihrer Mitarbeitenden einzubehalten und auf Dauer in der Personalakte abzuheften. Die bloße Einsichtnahme und Wiederherausgabe an die Mitarbeitenden seien völlig ausreichend.
§ 3 Abs. 4 AVR.DD und § 78 a Abs. 1 SGB VIII stellten insoweit auch keine Ermächtigungsgrundlage im Sinne datenschutzrechtlicher Bestimmungen dar. Das Speichern von Daten im Sinne datenschutzrechtlicher Bestimmungen umfasse auch das Abheften des erweiterten Führungszeugnisses in der Personalakte. Dadurch, dass die Dienststelle sich die erweiterten Führungszeugnisse aller Mitarbeitenden vorlegen lasse, sie einbehalte und in die Personalakten abhefte, finde eine Verarbeitung personenbezogener Daten statt, ohne dass hierfür eine Ermächtigungsgrundlage vorhanden sei. Wie sensibel mit persönlichen Daten umzugehen sei, ergebe sich auch aus § 30 BZRG, der von § 30 a Abs. 2 Satz 2 BZRG in Bezug genommen werde. Gesetzlich sei es nicht vorgesehen, dass Dritte frei über das Führungszeugnis verfügen könnten.
Die Mitarbeitervertretung beantragt,
1.
die Dienststelle zu verpflichten, die in ihrem Besitz befindlichen erweiterten Führungszeugnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Dienststelle xx an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter herauszugeben;
2.
die Dienststelle zu verpflichten, es zukünftig zu unterlassen, erweiterte Führungszeugnisse – weder im Original noch in Kopie – der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Dienststelle xx einzubehalten;
3.
hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 1. und 2., die Dienststelle zu verpflichten, es zukünftig zu unterlassen, die in ihrem Besitz befindlichen erweiterten Führungszeugnisse – weder im Original noch in Kopie – Dritten zugänglich zu machen.
Die Dienststelle beantragt,
die Anträge abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Anträge der Mitarbeitervertretung seien unbegründet. § 3 Abs. 4 AVR.DD sowie § 72 a Abs. 1 SGB VIII regelten den Umgang mit den vorzulegenden erweiterten Führungszeugnissen anders, als die Mitarbeitervertretung dies verlange. Da es sich bei der Dienststelle um eine Einrichtung der Jugendhilfe handele, müssten erweiterte Führungszeugnisse vorgelegt werden. Aus dem Begriff „Vorlage“ ergebe sich nicht, dass diese Führungszeugnisse nicht zur Personalakte genommen werden dürften. Was „vorzulegen“ sei, sei auch ordnungsgemäß abzuheften, nämlich in der Personalakte, dass es dieses „Abheften“ nicht geben dürfe, ergebe sich weder aus § 3 Abs. 4 AVR.DD noch aus § 72 a Abs. 1 SGB VIII.
Auf § 72 a Abs. 5 SGB VIII könne die Mitarbeitervertretung sich nicht berufen. Diese Vorschrift sei auch nicht analog auf hauptamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Dienststelle anzuwenden. Die in § 72 a Abs. 5 SGB VIII getroffene Regelung beziehe sich lediglich auf neben- und ehrenamtlich tätige Mitarbeiter, für die eine Sonderregelung getroffen worden sei. § 72 a Abs. 5 SGB VIII sei eine eigenständige spezielle Datenschutzregelung in Bezug auf neben- und ehrenamtlich tätige Personen. Gerade weil das Gesetz zwischen der „Einsicht in ein Führungszeugnis“ und der „Vorlage eines Führungszeugnisses“ unterscheide, komme eine analoge Anwendung des § 72 a Abs. 5 SGB VIII auf hauptamtlich tätige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Dienststelle nicht in Betracht.
Eben so wenig sei die Vorschrift des § 75 SGB XII in der Dienststelle anwendbar. Bei der Einrichtung der Dienststelle handele es sich um eine Jugendhilfeeinrichtung, nicht um eine Einrichtung der Sozialhilfe.
Auch datenschutzrechtliche Erwägungen könnten das Begehren der Mitarbeitervertretung nicht begründen. § 30 a BZRG sowie § 72 a Abs. 1 SGB VIII stellten gerade eine Ermächtigungsgrundlage im Sinne datenschutzrechtlicher Bestimmungen dar, die das bei Einstellungen von Personen zur Wahrnehmung einer „kinder- und jugendnahen Tätigkeit“ vorzulegende erweiterte polizeiliche Führungszeugnis regele. Demgegenüber gebe es keine rechtliche Grundlage für die Auffassung der Mitarbeitervertretung, wonach eine „Vorlage“ eines erweiterten Führungszeugnisses es ausschließe, dass dieses zur Personalakte genommen werde.
Schließlich müsse die Antragsbefugnis der Mitarbeitervertretung bestritten werden. Allein aus § 35 MVG.EKD ergebe sich ein derartiges Antragsrecht der Mitarbeitervertretung nicht.
Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.

B.

I.

Die zulässigen Anträge der Mitarbeitervertretung sind unbegründet.
Die Hauptanträge und der Hilfsantrag der Mitarbeitervertretung sind zulässig.
  1. Bei dem Streit der Beteiligten handelt es sich um eine mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeit i.S.d. § 60 Abs. 1 MVG.EKD, die im kirchengerichtlichen Beschlussverfahren auszutragen ist. Zwischen den Beteiligten ist eine mitarbeitervertretungsrechtliche Angelegenheit nach den §§ 34 Abs. 4, 35 Abs. 3 b) MVG.EKD streitig.
  2. Bei den zur Entscheidung gestellten Anträgen handelt es sich um einen Leistungsantrag sowie um Unterlassungsanträge, wie die Mitarbeitervertretung im Anhörungstermin vom 22.02.2018 ausdrücklich klargestellt hat.
  3. Die Anträge sind auch nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügend bestimmt. Aus ihnen ergibt sich, was die Mitarbeitervertretung von der Dienststelle begehrt.

II.

  1. Der Hauptantrag der Mitarbeitervertretung zu 1. ist unbegründet. Die Mitarbeitervertretung hat keinen Anspruch auf eine Verpflichtung der Dienststelle, die in ihrem Besitz befindlichen erweiterten Führungszeugnisse der Mitarbeitenden an diese herauszugeben.
    Ein solcher Anspruch folgt nicht aus mitarbeitervertretungsrechtlichen Gründen. Es handelt sich bei der erstrebten Verpflichtung weder um eine der Mitbestimmung unterliegende Maßnahme, noch um einen aus sonstigen Beteiligungsrechten folgenden Anspruch der Mitarbeitervertretung.
    1. Die Mitarbeitervertretung kann den geltend gemachten Herausgabeanspruch nicht auf § 40 k) MVG.EKD stützen. Die von der Mitarbeitervertretung verlangte Rechtsfolge – die Herausgabe der erweiterten Führungszeugnisse an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einrichtung in xx – ist keine Regelung der Ordnung in der Dienststelle und des Verhaltens der Mitarbeitenden im Dienst. Soweit sich die Dienststelle erweiterte Führungszeugnisse ihrer Mitarbeitenden vorlegen lässt, kommt sie lediglich einer gesetzlichen Verpflichtung gem. §§ 72 a SGB VIII, 30 a BRZG nach. Die Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung ist nicht als Regelung bezüglich der Ordnung in der Dienststelle oder des Verhaltens der Mitarbeitenden anzusehen (KGH.EKD 29.04.2011 – II-0124/R72-09 –). Die Vorlage erweiterter Führungszeugnisse und deren Umgang damit beruht nicht auf einer Entscheidung der Dienststelle Kraft eigenen Rechts, sondern auf den gesetzlichen Vorgaben in § 30 a BRZG und § 72 a Abs. 1 SGB VIII i.V.m. § 3 Abs. 4 AVR.DD. Damit ist für ein Mitbestimmungsrecht nach § 40 k) MVG.EKD kein Raum.
    2. Auch auf § 35 Abs. 3 b) MVG.EKD kann die Mitarbeitervertretung das Herausgabeverlangen nicht stützen. Aus der Pflicht zur Überwachung der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften gem. § 35 Abs. 3 b) MVG.EKD folgen keine eigenen Durchführungsansprüche, keine Unterlassungsansprüche und auch keine Mitbestimmungsrechte (BAG 28.05.2002 – 1 ABR 40/01 – NZA 2003, 1353 (III.); BAG 16.11.2005 – 7 ABR 12/05 – NZA 2006, 553, Rn. 26; BAG 20.05.2008 – I ABR 19/07 – NZA-RR 2009, 102, Rn. 15 m.w.N.). Mit der Aufgabe, die Einhaltung von Schutzvorschriften zu Gunsten der Arbeitnehmer zu überwachen, geht nicht die Befugnis zur Wahrnehmung von betroffenen Individualinteressen einher. Die Mitarbeitervertretung ist darauf beschränkt, eine Nichtbeachtung der gesetzlichen Vorschriften beim Arbeitgeber oder bei der Dienststelle zu beanstanden und auf Abhilfe zu drängen. Da die Mitarbeitervertretung im vorliegenden Fall mit dem Hauptantrag zu 1. die Herausgabe von erweiterten Führungszeugnissen an die Mitarbeitenden der Dienststelle xx verlangt, machte sie lediglich Individualinteressen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geltend. Dies ist nicht ihre Aufgabe.
    3. Überdies kann die beanspruchte Rechtsfolge gem. Hauptantrag zu 1. nicht auf datenschutzrechtliche Erwägungen gestützt werden. Insoweit kann es auf sich beruhen, ob die in Bezug genommenen datenschutzrechtlichen Bestimmungen eine Verpflichtung der Dienststelle, die ihr vorgelegten erweiterten Führungszeugnisse nach Einsichtnahme wieder an die Mitarbeitenden herauszugeben, überhaupt tragen. Jedenfalls kann die Mitarbeitervertretung von der Dienststelle die Herausgabe an die Mitarbeitenden nicht aus eigenem Recht verlangen, denn eine derartige Herausgabepflicht würde allenfalls aus dem Persönlichkeitsrecht der von der Verwendung personenbezogener Daten betroffenen Arbeitnehmer folgen. Dieses höchstpersönliche Recht vermittelt keinen Gremienanspruch (BAG 21.11.2017 – 1 ABR 47/16 – NZA 2018, 380, Rn. 18).
  2. Auch der Hauptantrag zu 2. ist unbegründet. Die Mitarbeitervertretung hat keinen Anspruch gegenüber der Dienststelle darauf, dass diese es unterlässt, erweiterte Führungszeugnisse der Mitarbeitenden einzubehalten.
    Unabhängig davon, ob es auch für den Hauptantrag zu 2. an der erforderlichen Aktivlegitimation der Mitarbeitervertretung fehlt (s.o. unter II. 1. b)), ist der geltend gemachte Unterlassungsanspruch auch ansonsten unbegründet.
    1. Der Unterlassungsanspruch kann nicht auf § 3 Abs. 4 AVR.DD oder auf § 72 a Abs. 1 SGB VIII i.V.m. § 30 a BZRG gestützt werden.
      Nach den genannten Vorschriften sind die in der Einrichtung in xx beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Einstellung und in regelmäßigen Abständen verpflichtet, ein erweitertes Führungszeugnis gem. § 30 a BZRG vorzulegen, da es sich bei der Dienststelle um eine Einrichtung der Jugendhilfe handelt. Aus den Vorschriften kann aber nicht entnommen werden, dass die Dienststelle nicht berechtigt wäre, die ihr vorgelegten erweiterten Führungszeugnisse einzubehalten und in den Personalakten der jeweiligen Mitarbeitenden abzuheften. Dies ergibt sich weder aus dem Wortlaut der gennannten Vorschriften, nicht aus der Gesetzessystematik und auch nicht aus dem Sinn und Zweck der Vorlagepflicht.
      aa)
      In allen genannten Vorschriften ist lediglich von der „Vorlage“ von erweiterten Führungszeugnissen die Rede. „Vorlage“ bedeutet vom Wortlaut her, dass jemandem etwas zum Ansehen, zur Begutachtung, Bearbeitung oder zur Prüfung hingelegt wird (Wahrig, Wörterbuch der deutschen Sprache, 2. Aufl., 2014; Duden, Großes Wörterbuch der deutschen Sprache). Der Begriff der „Vorlage“ i.S.d. § 3 Abs. 4 AVR.DD, § 72 a Abs. 1 SGB VIII hat danach jedenfalls nicht die Bedeutung, dass die vorzulegende Sache direkt nach der Vorlage von der vorlegenden Person wieder mitgenommen werden kann. Die Stelle oder die Person, der etwas vorgelegt wird, muss genügende Zeit zur Ansicht, zur Begutachtung oder zur Prüfung der vorzulegenden Sache haben. Insoweit bedeutet der Begriff „Vorlage“ mehr als die bloße „Einsichtnahme“.
      In diesem Sinne wird der Begriff „Vorlage“ auch in zivilrechtlichen und zivilprozessualen Vorschriften verwendet, §§ 809 ff. BGB, 142, 420 ff. ZPO. Allein aus dem Begriff „Vorlage“ kann danach bereits vom Wortlaut her nicht entnommen werden, dass die Dienststelle nicht berechtigt wäre, die ihr vorgelegten erweiterten Führungszeugnisse der Mitarbeitenden einzubehalten und in den jeweiligen Personalakten abzuheften.
      bb)
      Auch aus der gesetzlichen Systematik in § 72 a SGB VIII lässt sich nicht herleiten, dass die Dienststelle nicht berechtigt wäre, erweiterte Führungszeugnisse einzubehalten. Die Dienststelle hat zu Recht darauf hingewiesen, dass § 72 a SGB VIII in den Absätzen 1 und 2 einerseits und in den Absätzen 3 bis 5 andererseits zwischen hauptamtlich beschäftigten Mitarbeitenden und neben- und ehrenamtlich tätigen Mitarbeitenden differenziert. Während hauptamtlich Beschäftigte zur Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses verpflichtet sind, ist die Vorlagepflicht für neben- und ehrenamtlich tätige Mitarbeitende nur eingeschränkt normiert worden. Bei den neben- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden dürfen von den eingesehenen Daten nur der Umstand, dass Einsicht in ein Führungszeugnis genommen wurde, das Datum des Führungszeugnisses und die Information erhoben werden, ob die das Führungszeugnis betreffende Person wegen einer Straftat nach Abs. 1 Satz 1 des § 72 a SGB VIII rechtskräftig verurteilt worden ist. Diese Einschränkung enthält die Regelung in Abs. 1 und 2 des § 72 a SGB VIII für hauptamtlich beschäftigte Mitarbeitende gerade nicht. Hätte die Vorlagepflicht bei hauptamtlich Beschäftigten i.S.d. § 72 a Abs. 1 SGB VIII genauso geregelt werden sollen wie bei neben- und ehrenamtlich Tätigen, hätte nichts näher gelegen, diese Vorlagepflicht einheitlich in § 72 a SGB VIII zu regeln.
      cc)
      Auch Sinn und Zweck der Vorlagepflicht des § 72 a Abs. 1 SGB VIII gebieten es nicht, der Dienststelle den Einbehalt der erweiterten Führungszeugnisse bei hauptamtlich beschäftigten Mitarbeitenden und das Abheften in der jeweiligen Personalakte zu versagen. In die Personalakte darf ein Arbeitgeber oder eine Dienststelle alle Angaben aufnehmen, die rechtmäßig erlangt worden sind und an denen der Arbeitgeber oder die Dienststelle ein sachliches Interesse hat (Erfurter Kommentar/Kania, 17. Aufl., § 83 BetrVG, Rn. 2; Fitting u.a., BetrVG, 27. Aufl., § 83 BetrVG, Rn. 4). Zu den Personalakten des einzelnen Arbeitnehmers gehören danach neben Bewerbungen, Lebenslauf etc. auch Beurteilungen und Zeugnisse jeder Art. Insoweit steht der Dienststelle ein Interesse an der Aufbewahrung der ihr vorgelegten erweiterten Führungszeugnisse der bei ihr hauptamtlich beschäftigten Mitarbeitenden in der Personalakte zu. Die Dienststelle muss nämlich in der Lage sein, im Einzelfall auch nachweisen zu können, dass sie ihrer Verpflichtung nach § 3 Abs. 4 AVR.DD, § 72 a SGB VIII nachgekommen ist. Insoweit ist die Dienststelle auch berechtigt, erweiterte Führungszeugnisse i.S.d. § 30 a BZRG zu den Personalakten zu nehmen. Angaben zu Straftaten eines Arbeitnehmers bzw. ein Zeugnis darüber, dass einschlägige Straftaten nicht vorhanden sind, gehören in die Personalakte, die grundsätzlich vollständig sein muss. Der Arbeitgeber hat grundsätzlich ein legitimes Interesse daran, dass die von ihm geführte Personalakte vollständig ist und möglichst lückenlos über die Person des Beschäftigten und dessen dienstlichen Weg Aufschluss gibt. Dies schließt Informationen über die Persönlichkeit und die Gesundheit des Arbeitnehmers zum Zwecke einer berechtigten späteren Verwertung ein (Herfs-Röttgen, NZA 2013, 478; BAG 12.09.2006 – 9 AZR 271/06 – NZA 2007, 269; BAG 16.10.2007 – 9 AZR 110/07 – NZA 2008, 360, Rn. 28 m.w.N.). Da die Dienststelle im vorliegenden Fall gesetzlich verpflichtet ist, sich von ihren hauptamtlich Beschäftigen erweiterte Führungszeugnisse vorlegen zu lassen, ist sie auch berechtigt, diese erweiterten Führungszeugnisse aufzubewahren, um im Verlaufe eines Arbeitsverhältnisses nachweisen zu können, dass der Beschäftigte die an die Tätigkeit in einer Einrichtung der Jugendhilfe gestellten Anforderungen bei seiner Einstellung und während des Arbeitsverhältnisses erfüllt hat. In welcher Form die Aufbewahrung von erweiterten Führungszeugnissen in der Personalakte erfolgen muss, ist nicht Gegenstand des Hauptantrages zu 2..
    2. Die Mitarbeitervertretung kann sich zur Begründung ihres Anliegens auch nicht auf § 72 a Abs. 5 SGB VIII berufen.
      § 72 a Abs. 5 SGB VIII bezieht sich ausweislich seines Wortlauts ausdrücklich nur auf die Absätze 3 und 4 und damit auf die Beschäftigung von neben- und ehrenamtlich tätigen Mitarbeitenden. § 72 a Abs. 5 SGB VIII enthält insoweit für diesen Teil der Mitarbeiterschaft eine Sonderregelung gegenüber den hauptamtlich Beschäftigten. Diese Sonderregelung ist zum 01.01.2012 durch Bundeskinderschutzgesetz eingeführt worden. Die Vorlagepflicht, wie sie für hauptamtlich Beschäftigte in Einrichtungen der Jugendhilfe auch bisher schon galt, ist auf neben- und ehrenamtlich tätige Mitarbeiter, wenn auch in anderer Form, ausgeweitet worden. § 72 a Abs. 5 SGB VIII betrifft aber insoweit allein neben- oder ehrenamtlich tätige Personen. Für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf andere als die in § 72 a Abs. 3 und 4 SGB VIII genannten, in der Kinder- und Jugendhilfe neben- oder ehrenamtlich tätigen Personen besteht kein Anlass. Gegen eine solche analoge Anwendung spricht schon der Umstand, dass die in den Abs. 1 und 2 des § 72 a SGB VIII geregelten Ausgangsfälle, nämlich die von Trägern der öffentlichen oder freien Jugendhilfe hauptamtlich mit der Wahrnehmung von Aufgaben in der Kinder- und Jugendhilfe beschäftigten Personen, in § 72 a Abs. 5 SGB VIII gerade nicht genannt sind. Das kann nur dahin verstanden werden, dass es der Gesetzgeber bei den hauptamtlich in der Kinder- und Jugendhilfe tätigen Personen bei den allgemeinen Regelungen des Datenschutzrechts belassen will. § 72 a Abs. 5 SGB VIII stellt damit zu Recht ausdrücklich lediglich auf neben- oder ehrenamtlich tätige Personen ab (so ausdrücklich: Löwisch/Mysliwiec, NJW 2012, 2389, 2390).
    3. Auch § 75 SGB XII findet im vorliegenden Fall entgegen der Rechtsauffassung der Mitarbeitervertretung keine Anwendung. Zwar findet sich in § 75 Abs. 2 Satz 3 SGB XII eine ähnliche Regelung wie in § 72 a Abs. 5 SGB VIII. § 75 Abs. 2 SGB XII gilt aber nur für Leistungserbringer, die überhaupt in den Anwendungsbereich des § 75 SGB XII fallen. Dies ist nur dann der Fall, wenn sie nach § 75 Abs. 2 Satz 1 SGB XII Aufgaben der Sozialhilfe erfüllen. Dies ist bei der Dienststelle nicht der Fall. Die Dienststelle ist nicht im Bereich der Sozialhilfe tätig, sondern im Bereich der Jugendhilfe. Für sie gelten ausschließlich die Bestimmungen des SGB VIII. Da die Regelungen im SGB VIII und im SGB XII zwar vergleichbar, jedoch im Detail nicht identisch sind, können die Regelungen im SGB XII nicht auf die Bestimmungen des SGB VIII übertragen werden. (Axmann, Rechts- und Sozialpolitik, Rechtsdienst 2017, 61, 63).
    4. Auch datenschutzrechtliche Bestimmungen können das Begehren der Mitarbeitervertretung gem. Hauptantrag zu 2. nicht begründen.
      Einschlägig sind nach Auffassung der Schlichtungskammer allein die Bestimmungen des Kirchengesetzes über den Datenschutz der Ev. Kirche in Deutschland vom 01.01.2013 – DSG.EKD. Nach § 24 Abs. 1 DSG.EKD dürfen kirchliche Stellen Daten ihrer Beschäftigten nur erheben, verarbeiten oder nutzen, soweit dies zur Eingehung, Durchführung, Beendigung oder Abwicklung des Beschäftigungsverhältnisses oder zur Durchführung organisatorischer, personeller und sozialer Maßnahmen, insbesondere auch zu Zwecken der Personalplanung und des Personaleinsatzes, erforderlich ist oder eine Rechtsvorschrift, ein Tarifvertrag oder eine Dienstvereinbarung dies vorsieht.
      Im vorliegenden Fall sehen die Bestimmungen des § 3 Abs. 4 AVR.DD, § 72 a Abs. 1 SGB VIII i.V.m. § 30 a BZRG die Erhebung und Verarbeitung von Daten von Mitarbeitenden der Dienststelle ausdrücklich vor. Bei der Pflicht zur Vorlage erweiterter Führungszeugnisse handelt es sich um ein Beispiel der zulässigen Datenerhebung und –nutzung. Gerade für öffentliche Träger in der Kinder- und Jugendhilfe sieht § 72 a SGB VIII eine einschlägige gesetzliche Erlaubnis vor. Geht es um Informationen, die der Arbeitgeber aus dem erweiterten Führungszeugnis erhält und die konkret als Straftaten i.S.d. in § 72 a SGB VIII aufgeführten Strafnormen das Arbeitsverhältnis betreffen, sind die Informationen für den Arbeitgeber zweifellos verwertbar. Dafür ist das erweiterte Führungszeugnis gerade eingeführt worden (Joussen, NZA 2012, 776, 779; Simitis/Seifert, BDSG, 8. Aufl., § 32 Rn. 46, ebenso: Löwisch/Mysliwiec, NJW 2012, 2389, 2390).
      Ob die Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung – DS-GVO- im Hinblick auf die Vorlagepflicht eines erweiterten Führungszeugnisses die Rechtsauffassung der Mitarbeitervertretung begründen können, konnte dahinstehen, da die Bestimmungen des DSGVO erst ab 25.05.2018 Geltung erlangen. Auch die Neufassung des Bundesdatenschutzgesetzes tritt erst mit Wirkung vom 25.05.2018 in Kraft (Wybitul, NZA 2017, 413; Düwell/Brink, NZA 2017, 1081).
  3. Auch dem Hilfsantrag der Mitarbeitervertretung konnte nicht stattgegeben werden.
    Die Mitarbeitervertretung hat keinen Anspruch darauf, dass die Dienststelle es unterlässt, die in ihrem Besitz befindlichen erweiterten Führungszeugnisse weder im Original noch in Kopie Dritten zugänglich macht.
    Der Mitarbeitervertretung ist zwar zuzugeben, dass eine Weitergabe von erweiterten Führungszeugnissen ohne Einverständnis des betroffenen Arbeitnehmers unzulässig ist. Ein Arbeitgeber hat Personalakten sorgfältig zu verwahren, bestimmte Informationen vertraulich zu behandeln, für diese vertrauliche Behandlung zu sorgen und dem mit Personaldaten befassten Personenkreis möglichst klein zu halten (Erfurter Kommentar/Kania, a.a.O., § 83 Rn. 5; Fitting u.a., a.a.O., § 83 Rn. 9 m.w.N.). Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig und wird von der Dienststelle auch nicht in Frage gestellt.
    Dennoch steht der Mitarbeitervertretung der mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu. Es fehlt nämlich bereits an einer entsprechenden Wiederholungsgefahr. Auch wenn zwischen den Beteiligten unstreitig ist, dass in einem Einzelfall ein erweitertes Führungszeugnis auf Anfrage eines Jugendamtes herausgegeben worden ist, kann dem Unterlassungsanspruch wegen fehlender Wiederholungsgefahr nicht stattgegeben werden. Erforderlich ist insoweit nämlich eine ernstliche, sich auf Tatsachen begründete Besorgnis weiterer Eingriffe zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung. Dafür kann eine tatsächliche Vermutung bestehen, es sei denn, dass z.B. die tatsächliche Entwicklung einen neuen Eingriff unwahrscheinlich macht (vgl. statt aller: BAG 29.02.2000 – 1 ABR 4/99 – NZA 2000, 1066 m.w.N.). So liegt der vorliegende Fall. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Herausgabe eines erweiterten Führungszeugnisses lediglich in einem einzelnen Fall versehentlich durch einen Mitarbeitenden passiert ist. Die Dienststelle hat daraufhin aber, wie sie unwidersprochen dargelegt hat, sichergestellt, dass ein solcher Fall in Zukunft nicht mehr vorkommt. Dem ist die Mitarbeitervertretung nicht mit begründetem Tatsachenvortrag entgegen getreten.