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Rundschreiben Nr. 12/2011 des Landeskirchenamtes
„Abgrenzung:
Arbeitnehmer im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses
oder selbständige Mitarbeiter auf der Grundlage
einer Honorarvereinbarung oder eines Werkvertrages“

Vom 15. April 2011 (Az.: 300.300)

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Häufig auftretende Fragen nach der Abgrenzung von Arbeitsverhältnissen und Honorartätigkeiten veranlassen uns, die wesentlichen Abgrenzungskriterien aufzuzeigen und auf die Rechtsfolgen der Unterscheidung hinzuweisen.
I. Definition „Arbeitsverhältnis“
Voraussetzung eines Arbeitsverhältnisses sind, dass eine Arbeit geleitstet wird (1.), und zwar auf Grund eines Vertrages oder gleichgestellten Verhältnisses (2.) und dass ferner eine persönliche Abhängigkeit besteht (3.).
1. Arbeit
Arbeit ist hier die Tätigkeit oder jedes Verhalten, das zur Befriedigung des Bedürfnisses eines anderen dient und im Wirtschaftsleben als Arbeit qualifiziert wird. Dabei kann es sich um geistige oder körperliche Betätigung handeln, selbst die Überwindung psychischer Hemmnisse reicht aus. Ob und wie die Arbeit zu vergüten ist, ist für die Begriffsbestimmung unerheblich. Der Begriff ist bewusst und gewollt weit gehalten. Somit dürften alle Tätigkeiten, die in kirchlichen Einrichtungen verrichtet werden, unter den Begriff der Arbeit fallen.
2. Vertrag oder gleichgestelltes Verhältnis
Die Verpflichtung zur Arbeitsleistung muss auf einem privatrechtlichen Vertrag oder einem gleichgestellten Verhältnis beruhen.
In diesem Merkmal befindet sich ein erstes Korrektiv. So wird jemand durch sogenannte Geschäftsführung ohne Auftrag oder die Erbringung von Gefälligkeitsleistungen nicht zum Arbeitnehmer. Solche Leistungen liegen etwa vor, wenn im Winter ein Gemeindeglied unaufgefordert auf die Idee kommt, vor der Kirche Schnee zu schippen (Geschäftsführung ohne Auftrag) oder bei einem Gemeindefest ganz besonders engagiert beim Auf- und Abbau mithilft (Gefälligkeit).
Durch die Festlegung auf privatrechtliche Vereinbarungen fallen alle Personen, die ihre Tätigkeiten auf Grund von öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen erbringen, aus der Definition heraus. Dies sind alle Pfarrerinnen und Pfarrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis und alle Kirchenbeamtinnen und -beamte. Auch Zivildienstleistende, FSJ-ler, Ein-Euro-Jobber sind keine Arbeitnehmer, da es ebenfalls am Merkmal der privatrechtlichen Vereinbarung fehlt.
a) Vertrag
Der Arbeitsvertrag ist ein Unterfall des Dienstvertrages gemäß § 611 BGB. Er ist ein privatrechtlicher gegenseitiger Vertrag, durch den sich der Arbeitnehmer zur Leistung von Arbeit unter Leitung und nach Weisung des Arbeitgebers verpflichtet und der Arbeitgeber sich zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
b) gleichgestelltes Verhältnis
Nicht ausgeschlossen sind alle die Fälle, wo vor Durchführung der Tätigkeit eine Vereinbarung getroffen wurde. Auch „Aufträge“ zu einmaligen Tätigkeiten können damit rechtlich wie „Arbeitsverträge“ behandelt werden, wobei es an dieser Stelle unbeachtlich ist, ob es sich um eine einmalige oder wiederkehrende Leistung handelt.
3. Persönliche Abhängigkeit
Wesentliches Merkmal für die Einordnung als Arbeitsverhältnis ist die persönliche Abhängigkeit desjenigen, der die Arbeit verrichtet.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) definiert den Arbeitnehmer wie folgt:
„Arbeitnehmer ist derjenige, der seine vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere darin, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht seines Vertragspartners (Arbeitgebers) unterliegt. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Ziel, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Für die Abgrenzung von Bedeutung sind in erster Linie die tatsächlichen Umstände, unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist, nicht die Bezeichnung, die die Parteien ihrem Rechtsverhältnis gegeben haben, oder eine von ihnen gewünschte Rechtsfolge. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der je-weiligen Tätigkeit ab. Abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Merkmale lassen sich nicht aufstellen. Letztlich kommt es für die Beantwortung der Frage, welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls an. Arbeitnehmer ist insbesondere der Mitarbeiter, der nicht im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.“ (vlg. BAG NZA 2002, 1412)
Maßgeblich kommt es danach bei der persönlichen Abhängigkeit vom Arbeitgeber auf die damit korrespondierende Frage an, wie frei der Mitarbeiter ist. Weniger entscheidend ist die Frage, ob es sich um ein auf Dauer angelegtes Rechtsverhältnis handelt und welche Vergütungsmodalitäten vereinbart wurden. Ebenso spielt die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Arbeitgeber nur eine untergeordnete Rolle.
Wesentlicher Indikator der persönlichen Abhängigkeit ist damit das Weisungsrecht hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsart und Arbeitsort. Entscheidend ist dabei, welche Gestaltungsspielräume dem Beschäftigten verbleiben und ob seine persönliche Abhängigkeit das für Arbeitsverhältnisse typische Maß erreicht.
II. Abgrenzung
1. Arbeitsvertrag und Dienstvertrag
Die Frage, ob im Einzelfall ein Arbeitsvertrag oder ein Dienstvertrag mit der Möglichkeit der Honorarabrechnung vorliegt, ist gleichbedeutend mit der Frage, ob auf Grund des Vertrages fremdbestimmte oder selbständige Arbeit zu leisten ist.
Für ein Arbeitsverhältnis spricht, wenn
  • der Dienstberechtigte dem Dienstverpflichteten Weisungen erteilen darf (selbständige Arbeitsdurchführung spricht für ein Dienstverhältnis);
  • der Dienstpflichtige verpflichtet ist, bestimmte Arbeitszeiten einzuhalten;
  • der Dienstpflichtige die Arbeit an einem zugewiesenen Arbeitsplatz an einem bestimmten Ort verrichten muss, sofern die Tätigkeit nicht schon wegen ihrer Natur an einem bestimmten Ort erbracht werden muss;
  • der Dienstpflichtige in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert ist;
  • die Arbeitskraft des Dienstpflichtigen ganz oder überwiegend durch die vertragliche Beschäftigung in Anspruch genommen wird;
  • der Dienstberechtigte das Unternehmerrisiko sowie die Kosten der Arbeitsausführung zu tragen hat, ihm aber das Ergebnis der Arbeit zugute kommt.
Nicht maßgeblich sind dagegen die Art der Vergütung, die Bezeichnung im Vertrag und formale Abgrenzungsmerkmale wie die steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Behandlung durch die Vertragsparteien.
2. Arbeitsvertrag und Werkvertrag
Der Arbeitsvertrag ist weiterhin gegenüber dem Werkvertrag abzugrenzen. Gegenstand des Werkvertrages ist gemäß § 631 Abs. 1 BGB die Herstellung eines Werkes. Im Unterschied zu Dienst- und Arbeitsverträgen, bei denen nur die Tätigkeit als sol-che geschuldet wird, wird beim Werkvertrag ein bestimmtes Arbeitsergebnis geschuldet. Zu beachten ist, dass der Werkbesteller nach § 645 Abs. 1 BGB ein werkvertragliches Weisungsrecht besitzt. Dieses ist vom arbeitsvertraglichen Weisungsrecht abzugrenzen. Ist die Weisung gegenständlich auf die zu erbringende Werkleistung beschränkt, spricht dies für einen Werkvertrag. Wird der Gegenstand der Werkleistung jedoch erst durch die Weisungen bestimmt oder werden persönlich bindende Weisungen erteilt, spricht dies für ein Arbeitsverhältnis.
III. Rechtsfolgen
Nach der Entscheidung darüber, ob ein Arbeitsverhältnis oder ein Dienstvertrag bzw. ein Werkvertrag vorliegt, richtet sich die Sozialversicherungspflicht. Gemäß § 7 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) besteht die Sozialversicherungspflicht bei einer nichtselbständigen Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Unstreitig ist, dass allein die Bezeichnung als „Freier Mitarbeiter“ oder „Honorarkraft“ im Beschäftigungsvertrag nicht bewirkt, die Arbeitnehmereigenschaft des Beschäftigten auszuschließen. Ungeachtet der Bezeichnung kann deshalb ein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis zu bejahen sein, wenn die Arbeit unter Berücksichtigung der oben aufgeführten Kriterien in persönlicher Abhängigkeit von einem Dritten geleistet wird. Maßgebend für die Abgrenzung von selbständiger und unselbständiger Beschäftigung sieht das Bundessozialgericht die tatsächlichen Verhältnisse an.
Werden wegen einer unzutreffenden Behandlung als freier Mitarbeiter oder Honorarkräfte vom Arbeitgeber keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt, so bleibt der Arbeitgeber Schuldner des Gesamtsozialversicherungsbeitrages (vgl. § 28 e SGB IV). Der Beitragsanspruch verjährt in vier Jahren, bzw. bei vorsätzlicher Vorenthaltung in dreißig Jahren.
IV. Beispielsfälle
  1. Organisten
    Personen, die als Organist oder Organistin in Kirchengemeinden bei Gottesdiensten oder anderen Veranstaltungen auch vertretungsweise tätig sind, stehen in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Kirchengemeinde. Bei ihrem Einsatz sind sie den Vorgaben der Gottesdienstordnung, die der Gemeinde zuzurechnen und keine Kraft der Natur der Sache vorgegebene Ordnung ist, unterworfen.
  2. Chorleiterinnen und Chorleiter
    Chorleiterinnen und Chorleiter, die z. B. in Kirchengemeinden regelmäßig tätig sind, sind grundsätzlich als in das Unternehmen eingegliedert und somit sozialversicherungspflichtig zu betrachten.
    Etwas anderes kann ausnahmsweise gelten, wenn der Chorleiter bzw. die Chorleiterin im Rahmen eines musikalischen Projektes tätig wird, etwa bei Aufbau und Leitung eines „Projektchores“ oder Orchesters für ein konkretes Konzert oder einen besonderen Festgottesdienst. Hierbei ist die Chorleiterin bzw. Chorleiter in der Gestaltung des Programms und den Probeterminen frei, er arbeitet gerade nicht auf Weisung, sondern wird auf Eigeninitiative tätig.
  3. Tätigkeiten im Bereich der Jugendarbeit
    Bei Tätigkeiten im Bereich der Jugendarbeit sind die Kriterien für die Arbeitnehmereigenschaft häufig erfüllt, so z. B. für sogenannte „Teamer“, die kirchliche Freizeiten begleiten. Soweit dafür eine Vergütung gezahlt wird, ist diese grundsätzlich steuer- und sozialversicherungspflichtig.
  4. Vortragstätigkeiten
    Externe Referenten und Dozenten bei Tagungen und Fortbildungen sind regelmäßig nicht in die Organisationsstruktur der kirchlichen Einrichtungen integriert, sondern stellen ihren Sachverstand einem Fachpublikum auf eigene Rechnung zur Verfügung. Sie bestimmen grundsätzlich Inhalt und Durchführung ihrer Vorträge im Wesentlichen frei, sodass sie regelmäßig nicht als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der kirchlichen Einrichtungen einzustufen sind.