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Kirchengericht:Schlichtungsstelle nach dem MVG der Evangelischen Kirche von Westfalen (2. Kammer)
Entscheidungsform:Beschluss rechtskräftig
Datum:16.06.2016
Aktenzeichen:2 M 74/15
Rechtsgrundlage:§ 34 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Aufgabenbezug, Auskunftsanspruch, Bruttoentgeltlisten, Datenschutz, Einsichtsrecht, Feststellungsantrag, Informationsrecht, Kontrollrecht, Unterrichtungsanspruch, allgemeiner Gleichbehandlungsgrundsatz
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Leitsatz:

Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD kann der Mitarbeitervertretung - trotz Fehlens einer der in § 82 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz BetrVG entsprechenden Vorschrift - ein Anspruch auf Einsicht in Bruttoentgeltlisten zustehen.

Tenor:

Es wird festgestellt, dass die Dienststellenleitung verpflichtet ist, der Mitarbeitervertretung eine Liste auszuhändigen, aus der die monatlichen Bruttoentgeltzahlungen der bei der xxx beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Ausnahme der Personen nach den §§ 4, 44 MVG.EKD ersichtlich sind

Gründe:

A.

Die Beteiligten streiten um ein Einsichtsrecht der Mitarbeitervertretung in Bruttoentgeltlisten der bei der Dienststelle beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Die Dienststelle betreibt in xxx und Umgebung mehrere Kliniken, in denen insgesamt ca. 1.400 Mitarbeiter beschäftigt sind.
In der Dienststelle ist die antragstellende Mitarbeitervertretung gebildet, die aus 13 Personen besteht.
Die Dienststelle beteiligt die Mitarbeitervertretung regelmäßig bei der Eingruppierung, Höhergruppierung und auch Rückgruppierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. In den vorangegangenen Jahren hat die Mitarbeitervertretung regelmäßig Hinweise aus Kreisen der Mitarbeiterschaft erhalten, wonach es durchgängig in allen Berufsgruppen zur Zahlung von Zuschlägen und Zulagen als Einmalzahlungen oder als Dauerzahlungen gekommen sein soll, über deren Höhe und deren Voraussetzungen die Mitarbeitervertretung von der Dienststelle keine Informationen erhält.
Mit Schreiben vom 22.09.2015 (Bl. 4 d. Akten) beantragte die Mitarbeitervertretung bei der Dienststelle daraufhin Einsicht in Bruttoentgeltlisten aller bei der Dienststelle beschäftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Ausnahme der Personen nach §§ 4 und 44 MVG.EKD der Jahre 2014 und 2015.
Die Dienststelle teilte daraufhin mit Schreiben vom 16.10.2015 (Bl. 3 d. Akten) mit, dass ein derartiger Anspruch nicht bestehe, eine Rechtsgrundlage hierfür sei nicht ersichtlich; einer Gewährung von Einsicht in individuelle Gehaltsdaten als Teil der Personalakte der Mitarbeiter stehe auch § 34 Abs. 4 MVG.EKD entgegen.
Die Mitarbeitervertretung leitete daraufhin am 10.11.2015 das vorliegende Verfahren ein.
Die Mitarbeitervertretung ist der Auffassung, dass ihr ein Einsichtsrecht, so wie es verlangt sei, zustehe. Zu den allgemeinen Aufgaben der Mitarbeitervertretung gehöre, dafür einzutreten, dass arbeits-, sozial- und dienstrechtliche Bestimmungen eingehalten würden, § 35 Abs. 3 b) MVG.EKD. Das bedeute, dass die Mitarbeitervertretung darüber zu wachen habe, dass eine innerbetriebliche Lohngerechtigkeit bestehe und dass bei der Erbringung von Sonderzahlungen auch der Gleichbehandlungsgrundsatz eingehalten werde, § 35 Abs. 3 e) MVG.EKD. Um diesen Aufgaben nachzukommen, habe die Mitarbeitervertretung im Rahmen ihres Informationsrechtes nach § 34 MVG.EKD ein Einsichtsrecht in die Bruttoentgeltlisten.
Die Mitarbeitervertretung habe in den vorangegangenen Jahren regelmäßig und durchgängig Hinweise auf Zahlungen von Zuschlägen und Zulagen als Einmalzuwendungen oder als Dauerzahlungen erhalten, über deren Höhe und deren Voraussetzungen die Mitarbeitervertretung von der Dienststelle keine Informationen erhalte. Diese Zahlungen von Zulagen und Zuschlägen solle durchgängig durch alle Berufsgruppen, von Chefärzten bis hin zu Pflegehilfskräften, in unterschiedlicher Form und unter willkürlicher Voraussetzung erfolgen. Darüber hinaus gebe es Hinweise auf eine Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen.
So habe die Dienststelle im vergangenen Jahr als Ersatz für eine in Ruhestand gegangene Kollegin, der Sekretärin eines Geschäftsführers, eine neue Mitarbeiterin als „Assistentin der Geschäftsführung“ einstellen wollen. Diese Mitarbeiterin habe nach dem Willen der Dienststellenleitung in die Entgeltgruppe 10 BAT-KF eingruppiert werden sollen, wohingegen ihre Vorgängerin in die Entgeltgruppe 6 BAT-KF eingruppiert gewesen sei. Nachdem die Mitarbeitervertretung eine Aufgabenbeschreibung für die neu einzustellende Mitarbeiterin angefordert habe, die eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 10 BAT-KF rechtfertigen würde, habe sie von der Dienststelle eine neue Vorlage mit der beabsichtigten Eingruppierung in die Entgeltgruppe 6 BAT-KF erhalten. Inzwischen gebe es deutliche Hinweise, dass der neuen Mitarbeiterin eine Zulage in Höhe der Differenz zwischen der Entgeltgruppe 6 und 10 BAT-KF gezahlt werde.
Die Mitarbeitervertretung habe auch Kenntnis davon erhalten, dass der OP-Koordinator eine persönliche Zulage erhalte, die vermutlich mit Führungs- und Weisungsaufgaben in Verbindung zu bringen sei. Eine Beteiligung der Mitarbeitervertretung sei hierbei unterblieben. Die Mitarbeitervertretung habe darüber hinaus in Erfahrung gebracht, dass regelmäßig Mitarbeitern/innen, die bei ihren bisherigen Arbeitgebern in eine höhere Entgeltgruppe eingruppiert gewesen seien, als es der Entgeltgruppenplan des BAT-KF vorsehe, zugesagt werde, dass sie nach der Einstellung eine entsprechende Vergütung erhielten. Die Mitarbeitervertretung werde alsdann nach dem Entgeltgruppenplan BAT-KF beteiligt, faktisch würden diese Mitarbeiter/innen jedoch in eine höhere Erfahrungsstufe eingruppiert, damit der Bruttobetrag der monatlichen Vergütung der Eingruppierung des bisherigen Arbeitgebers entspreche. Hierfür sei die Einstellung einer Operationstechnischen Assistentin ein Beispiel.
Bei der Einstellung einer stellvertretenden Leitung im Medizinischen Controlling (Ehefrau eines Chefarztes) sei bei der Mitarbeitervertretung die Zustimmung zur Eingruppierung in die Entgeltgruppe Ä 1 TV-Ärzte-KF beantragt worden. Nach einer entsprechenden Ablehnung durch die Mitarbeitervertretung sei auch hier zu vermuten, dass der neu eingestellten Mitarbeiterin eine Zulage in Höhe der entsprechenden Differenz gezahlt werde.
Bei der Einstellung eines Arztes sei im Mitbestimmungsverfahren versehentlich der Arbeitsvertrag des neuen Mitarbeiters der Mitarbeitervertretung vorgelegt worden. In diesem Arbeitsvertrag sei vereinbart, dass dem Mitarbeiter eine monatliche persönliche Zulage in Höhe von 500 € gezahlt werde. Eine Beteiligung der Mitarbeitervertretung sei insoweit unterblieben.
Um überprüfen zu können, ob die Mitbestimmung und Mitberatung der Mitarbeitervertretung in diesen Punkten beachtet werde und um sicherzustellen, dass auch der Gleichbehandlungsgrundsatz zukünftig beachtet werde, benötige die Mitarbeitervertretung die Einsicht in die Bruttoentgeltlisten mit Ausnahme der Personen nach §§ 4 und 44 MVG.EKD. Aufgabe der Mitarbeitervertretung sei es auch, darüber zu wachen, dass innerbetriebliche Lohngerechtigkeit und Transparenz in der Vergütungspraxis hergestellt werde.
Die Mitarbeitervertretung beantragt,
festzustellen, dass ihr ein Einsichtsrecht in die Bruttoentgeltlisten der bei der Dienststelle beschäftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Ausnahme der Personen nach §§ 4 und 44 MVG zustehe.
Die Dienststelle beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass der Mitarbeitervertretung kein Anspruch auf Einsicht in Lohn- und Gehaltslisten zustehe. Für dieses geforderte Kontrollrecht gebe es im Gegensatz zu den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes im Mitarbeitervertretungsgesetz keine Grundlage. Damit scheide auch das von der Mitarbeitervertretung geforderte Kontrollrecht aus. Die im Mitarbeitervertretungsgesetz normierten Kontrollrechte aus § 35 Abs. 3, §§ 42, 43 MVG.EKD seien ausreichend und würden gewahrt.
Die Mitarbeitervertretung sei auch der von der Schlichtungsstelle ausdrücklich geforderten Konkretisierung von besonderen Tatsachen und Umständen, die einen entsprechenden Auskunftsanspruch begründen könnten, nicht bzw. nicht annähernd ausreichend nachgekommen. Bei dem Vorbringen der Mitarbeitervertretung handele es sich eher um nicht belegte, vage und allgemeine Vermutungen. Im Übrigen stelle auch die Mitarbeitervertretung nicht in Frage, dass die Gewährung von leistungsbezogenen Entgelten oberhalb der Vergütung des BAT-KF im Einzelfall nicht mitbestimmungspflichtig sei. Der von der Mitarbeitervertretung angeführte Fall der Ehefrau eines Chefarztes sei Jahre her, diese Mitarbeiterin sei vor geraumer Zeit ausgeschieden.
Im Übrigen stünden Gründe des Datenschutzes dem begehrten Einsichtsrecht entgegen. Es sei Sache eines einzelnen Mitarbeiters, sich bei möglichen Verstößen gegen die Gehaltsgrundlagen zu wehren.
Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätzen Bezug genommen.

B.

Der zulässige Feststellungsantrag der Mitarbeitervertretung ist begründet.

I.

Der von der Mitarbeitervertretung zur Entscheidung gestellte Feststellungsantrag ist zulässig.
  1. Die Beteiligten streiten in einer Angelegenheit aus dem Mitarbeitervertretungsgesetz nach § 60 Abs. 1 MVG.EKD, nämlich um einen Auskunftsanspruch der Mitarbeitervertretung nach § 34 MVG.EKD.
  2. Für den gestellten Feststellungsantrag besteht auch das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses als besondere Prozessvoraussetzung ist die spezielle Ausgestaltung des bei jeder Rechtsverfolgung erforderlichen Rechtsschutzinteresses. Zwar wäre im vorliegenden Verfahren auch ein Leistungsantrag möglich gewesen. Das erforderliche Feststellungsinteresse kann aber bereits deshalb nicht verneint werden, weil sich die Dienststelle weigert, die von der Mitarbeitervertretung gewünschten Informationen zu erteilen und ihr Einsicht in die Bruttoentgeltlisten zu gewähren. Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass die Dienststelle auch einem stattgebenden Feststellungsantrag Folge leisten wird.
  3. Dem Feststellungsantrag fehlt es auch nicht an der notwendigen Bestimmtheit nach § 253 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
    Hiernach muss ein Sachantrag, dies gilt auch für einen Feststellungsantrag, so gefasst sein, dass er – unter Zuhilfenahme des Vorbringens seiner Begründung – deutlich erkennen lässt, was vom Antragsteller konkret begehrt wird (KGH.EKD 30.03.2012 – II-0124/S 59-10 -). Insoweit lässt der gestellte Antrag der Mitarbeitervertretung konkret erkennen, was er von der Dienststelle verlangt, nämlich die Einsicht in die Bruttoentgeltlisten der bei der Dienststelle beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Soweit im Antrag nicht ausdrücklich ausgeführt ist, über welchen Zeitraum sich die begehrten Auskünfte erstrecken sollen, ist dies unerheblich. Die Mitarbeitervertretung hat nämlich in der Begründung für den Antrag deutlich gemacht, dass sich die von ihr verlangte Einsicht auf die Jahre 2014 und 2015 monatsbezogen beziehen soll. Dies ist ausreichend.

II.

Der Feststellungsantrag ist begründet.
  1. Der Feststellungsantrag der Mitarbeitervertretung ist nicht schon deshalb unbegründet, weil die 2monatige Ausschlussfrist des § 61 Abs. 1 MVG.EKD nicht eingehalten worden wäre. Die Frist des § 61 Abs. 1 MVG.EKD ist von der Mitarbeitervertretung eingehalten worden. Nach Ablehnung des begehrten Einsichtsrechts durch die Dienststelle vom 16.10.2015 hat die Mitarbeitervertretung am 10.11.2015 das vorliegende Verfahren eingeleitet.
  2. Der geltend gemachte Anspruch der Mitarbeitervertretung ist auch im Übrigen begründet.
    Der Mitarbeitervertretung steht das begehrte Einsichtsrecht in die Bruttoentgeltlisten nach näherer Maßgabe des Tenors für die Jahre 2014 und 2015 zu. Dieser Anspruch folgt aus § 34 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 3 MVG.EKD. Die Mitarbeitervertretung benötigt die erbetenen Informationen zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben.
    1. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD ist die Mitarbeitervertretung zur Durchführung ihrer Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Der Mitarbeitervertretung sind ferner die nach § 34 Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD die zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Unterlagen rechtzeitig zur Verfügung zu stellen.
      Der Unterrichtungsanspruch nach § 34 MVG.EKD setzt grundsätzlich voraus, dass die Mitarbeitervertretung die begehrte Unterrichtung benötigt, um prüfen zu können, ob sich für sie Aufgaben im Sinne des Mitarbeitervertretungsrechts ergeben und ob sie zur Wahrnehmung einer solchen Aufgabe tätig werden muss oder will. Die Grenze des allgemeinen Auskunftsanspruchs liegt erst dort, wo ein Beteiligungsrecht offenkundig nicht in Betracht kommt (KGH.EKD 12.07.2010 – I-0124/R 82-09 – ZMV 2010, 319; KGH.EKD 24.01.2011 – I-0124/S 41-10 – m.w.N.). Die Mitarbeitervertretung kann nicht losgelöst vom Bestehen einer gesetzlichen Aufgabe verlangen, dass sie von der Dienststelle über betriebliche Vorgänge informiert und über deren Kenntnisstand unterrichtet wird. Daraus folgt eine zweistufige Prüfung daraufhin, ob überhaupt eine Aufgabe der Mitarbeitervertretung gegeben und ob im Einzelfall die begehrte Information zur Wahrnehmung ihrer Rechte erforderlich ist (BAG 19.02.2008 – 1 ABR 84/06 – NZA 2008, 1078; BAT 30.09.2008 – 1 ABR 54/07 – NZA 2009, 502; BAG 23.03.2010 – 1 ABR 81/08 – NZA 2011, 811; BAG 27.10.2010 – 7 ABR 86/09 – NZA 2011, 418; BAG 07.02.2012 – 1 ABR 46/10 – NZA 2012, 744 m.w.N.).
    2. Der von der Mitarbeitervertretung geltend gemachte Anspruch auf Einsicht in Bruttoentgeltlisten ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass es im Mitarbeitervertretungsgesetz an einer ausdrücklichen Vorschrift, wie sie etwa im Betriebsverfassungsgesetz - § 80 Abs. 2 Satz 2, § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG – enthalten ist, fehlt. Auch § 34 Abs. 4 Satz 1 MVG.EKD steht dem geltend gemachten Anspruch auf Einsicht in Bruttoentgeltlisten nicht entgegen.
      Zu der zwischen den Beteiligten streitigen Rechtsfrage werden unterschiedliche Rechtsauffassungen vertreten (vgl. einerseits: Fey/Rehren, MVG.EKD, § 34 Rdnr. 25; andererseits Baumann/Czichon/Gathmann/Germer, MVG.EKD, 4. Auflage, § 34 Rdnr. 7). Der Kirchengerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 24.01.2011 diese Rechtsfrage offengelassen (KGH.EKD 24.01.2011 – I-0124/S 41-10 -).
      Die erkennende Schlichtungskammer ist der Auffassung, dass das begehrte Einsichtsrecht, wie es die Mitarbeitervertretung im vorliegenden Fall für sich in Anspruch nimmt, sich auf § 34 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD stützen lässt, auch wenn eine dem § 80 Abs. 2 Satz 2, 2.Halbs. BetrVG entsprechende Vorschrift im Mitarbeitervertretungsgesetz nicht enthalten ist. § 34 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD umfasst grundsätzlich auch einen Anspruch der Mitarbeitervertretung auf Einsicht in Bruttoentgeltlisten. In § 34 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD ist nämlich ein umfassender Unterrichtungsanspruch normiert, der den Anspruch auf Einsicht in Bruttoentgeltlisten einschließt. § 34 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD entspricht dem allgemeinen Auskunftsanspruch, wie er in § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG niedergelegt ist. Insoweit stellt auch § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG gegenüber § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG lediglich eine speziellere Regelung dar, die den allgemeinen Auskunftsanspruch nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG nicht verdrängt (BAG 30.09.2008 – 1 ABR 54/07 – NZA 2009, 502 Rdnr. 24,30).
      Auch § 34 Abs. 4 Satz 1 MVG.EKD steht dem begehrten Einsichtsrecht nicht entgegen. Zwar dürfen Personalakten nur nach schriftlicher Zustimmung der betroffenen Person und nur durch ein von ihr zu bestimmendes Mitglied der Mitarbeitervertretung eingesehen werden. Im vorliegenden Fall kann jedoch nicht übersehen werden, dass die Mitarbeitervertretung keine Einsicht in Personalakten verlangt, sondern lediglich in Bruttoentgeltlisten. Auch wenn Angaben zum Bruttoentgelt zu den Personalakten gehören, ist das Einsichtsrecht in Bruttoentgeltlisten nicht durch § 34 Abs. 4 Satz 1 MVG.EKD ausgeschlossen. Das bloße Recht auf Einsicht in Bruttoentgeltlisten ist unabhängig vom Einverständnis des oder der betroffenen Arbeitnehmers/Arbeitnehmerin zu gewähren. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Artikel 1 Abs. 1 GG gewährleistete Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Arbeitnehmer dem Einsichtsrecht der Mitarbeitervertretung entgegensteht (verneinend BVerwG 16.05.2012 – 6 PB 2/12 – NZA RR 2012, 609). Ein Arbeitgeber oder eine Dienststelle ist nämlich nicht befugt, sich gegenüber dem Anspruch eines Betriebsrats oder einer Mitarbeitervertretung auf Einsicht in Bruttoentgeltlisten auf Grundrechte von Arbeitnehmern zu berufen (BAG 14.01.2014 – 1 ABR 54/12 – NZA 2014, 738).
      Die Mitarbeitervertretung hat im Übrigen zurecht darauf hingewiesen, dass es auch zu ihren Aufgaben gehört, darüber zu wachen, dass bei der Erbringung von Sonderleistungen und sonstigen Zulagen der Gleichbehandlungsgrundsatz eingehalten wird, § 35 Abs. 3 e) MVG.EKD. Die Konkretisierung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes aus Art. 3 Abs. 2 GG impliziert das Verbot, Frauen und Männer ungleich zu behandeln, wenn zwischen der Tätigkeit beider objektive Gleichartigkeit besteht. Für die Beachtung dieses Grundsatzes hat die Mitarbeitervertretung ebenso einzutreten, wie sie Maßnahmen anregen soll, um partiell bestehende nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlungen abzubauen (Fey/Rehren, aaO., § 35 Rdnr. 19). An diesen Allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz ist auch die Dienststelle gebunden. Allein um prüfen zu können, ob in der Dienststelle etwa gegen § 35 Abs. 3 e) MVG.EKD oder etwa gegen die Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes – AGG – verstoßen worden ist, benötigt die Mitarbeitervertretung die begehrte Einsicht in die Bruttoentgeltlisten (so auch Fey/Rehren, aaO., § 34 Rdnr. 1).
  3. Die Voraussetzungen des allgemeinen Auskunftsanspruchs nach § 34 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD sind im vorliegenden Fall erfüllt. Zur Erfüllung der Aufgaben der Mitarbeitervertretung ist die Einsicht in die Bruttoentgeltlisten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Dienststelle nach Maßgabe des Tenors für die Jahre 2014 und 2015 erforderlich.
    1. Der nach § 34 Abs. 1 MVG.EKD erforderliche Aufgabenbezug liegt vor. Zu den Aufgaben der Mitarbeitervertretung gehören einerseits die Wahrnehmung sämtlicher Mitbestimmungsrechte nach den §§ 39, 40 MVG.EKD, die Wahrnehmung von eingeschränkten Mitbestimmungsrechten nach den §§ 41 ff. MVG.EKD und von Beratungsrechten nach den §§ 45 ff. MVG.EKD. Ferner gehören auch die in den §§ 34, 35 MVG.EKD genannten allgemeinen Aufgaben zu den Aufgaben der Mitarbeitervertretung. Die Mitarbeitervertretung hat u. a. nach § 35 Abs. 3 b) MVG.EKD dafür einzutreten, dass die arbeits-, sozial- und dienstrechtlichen Bestimmungen, Vereinbarungen und Anordnungen eingehalten werden. Ferner soll sie insbesondere gemäß § 35 Abs. 3 e) MVG.EKD für die Gleichstellung und für die Gemeinschaft von Frauen und Männern in der Dienststelle eintreten und Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele anregen, sowie an ihrer Umsetzung mitwirken.
      Nach dem Vorbringen der Beteiligten kann eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Bestehen von Aufgaben der Mitarbeitervertretung nicht verneint werden. Das Vorbringen der Mitarbeitervertretung im Schriftsatz vom 09.02.2016 enthält genügend konkrete Hinweise, wonach ein Beteiligungsrecht der Mitarbeitervertretung in Betracht kommt. Die Mitarbeitervertretung hat in diesem Schriftsatz fünf Fälle geschildert, die den Schluss darauf zulassen, dass Zuschläge, Zulagen und Sonderzahlungen geleistet werden, ohne die Mitarbeitervertretung hieran zuvor beteiligt zu haben. Dieses Vorbringen ist ausreichend, um eine Wahrscheinlichkeit des Aufgabenbezugs zu bejahen. Der Informationsanspruch der Mitarbeitervertretung hängt nämlich nicht davon ab, dass sie konkrete Anhaltspunkte für einen tatsächlichen Regelverstoß durch die Dienststellenleitung darlegt und u.U. noch beweist (BAG 19.02.2008 – 1 ABR 84/06 – NZA 2008, 1078; Fey/Rehren, aaO., § 34 Rdnr. 1). Die Grenze des Auskunftsanspruchs liegt erst dort, wo Beteiligungsrechte der Mitarbeitervertretung offensichtlich nicht in Betracht kommen (KGH.EKD 12.07.2010 – I-0124/R 82-09 – ZMV 2010, 319). Nur mit Hilfe der begehrten Einsicht in sämtliche Bruttoentgeltlisten für die Jahre 2014 und 2015 kann die Mitarbeitervertretung überprüfen, ob in der Dienststelle willkürlich Zulagen und/oder Sonderleistungen – in welcher Höhe auch immer – geleistet werden, ob bei Zahlung dieser Sonderleistungen und Zulagen Ungleichbehandlungen vorliegen oder ob individuell geleistete Zulagen gerechtfertigt sind. Dass in der Vergangenheit Zulagen, Zuschläge oder sonstige Sonderzahlungen von der Dienststelle erbracht worden sind, ist zwischen den Beteiligten im Übrigen unstreitig. Die Mitarbeitervertretung muss insoweit überprüfen können, ob dies weiterhin geschieht und ein eigenes mitgestaltendes Tätigwerden angezeigt ist. Bei der Gewährung von solchen Zulagen ist die Dienststelle nämlich an den Allgemeinen Gleichheitsgrundsatz gebunden. Die Überwachungsaufgabe der Mitarbeitervertretung erstreckt sich auf dessen Einhaltung.
    2. Die von der Mitarbeitervertretung begehrte Einsicht in die Bruttoentgeltlisten ist für die Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlich.
      Zurecht erstreckt sich das geltend gemachte Einsichtsrecht auf alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Dienststelle. Die Mitarbeitervertretung hat nämlich geltend gemacht, dass die Zahlung von Zulagen und Zuschlägen durch alle Berufsgruppen, von Chefärzten bis hin zu Pflegekräften, in unterschiedlicher Form erfolgen würde. Diesem Vorbringen ist die Dienststelle nicht mit erheblichem Vorbringen entgegengetreten. Zurecht hat die Mitarbeitervertretung darüber hinaus den von den §§ 4, 44 MVG.EKD erfassten Personenkreis von ihrem Antrag ausgenommen.
      Zeitlich hat die Mitarbeitervertretung das geltend gemachte Einsichtsrecht auf die Jahre 2014 und 2015 beschränkt. Hinsichtlich dieses zeitlichen Umfanges hat die Dienststelle keine begründeten Einwendungen erhoben.
      Das Auskunftsverlangen der Mitarbeitervertretung ist auch nicht auf eine unmögliche Leistung gerichtet. Die monatlichen Bruttoentgeltzahlungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Dienststelle in den Jahren 2014 und 2015 sind der Dienststelle bekannt. Ihr ist es möglich, der Mitarbeitervertretung die geforderten Daten vorzulegen.
      Ob nach Einsichtnahme in die Bruttoentgeltlisten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Dienststelle sich entsprechende Mitbestimmungsrechte oder Initiativrechte der Mitarbeitervertretung ergeben, kann die Mitarbeitervertretung erst überprüfen, nachdem ihr Einsicht gewährt worden ist.
  4. Schließlich stehen dem Anspruch der Mitarbeitervertretung auf Einblick in die Bruttoentgeltlisten datenschutzrechtliche Belange nicht entgegen.
    Bruttoentgeltlisten enthalten personenbezogene Daten im Sinne des § 2 Abs. 1 DSG.EKD, die von der Dienststelle zur Durchführung von Arbeitsverhältnissen nach § 24 Abs. 1 DSG.EKD zulässigerweise erhoben, verarbeitet und genutzt werden. Gewährt die Dienststelle der Mitarbeitervertretung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD Einsicht in diese Bruttoentgeltlisten, handelt es sich um eine nach § 24 Abs. 1 DSG.EKD zulässige Form der Datennutzung. Diese ist aber nicht durch § 24 Abs. 2 DSG.EKD ausgeschlossen. Bei der Mitarbeitervertretung handelt es sich nämlich nicht um eine Stelle außerhalb des kirchlichen Bereichs. Die Einsichtsgewährung stellt damit keine Weitergabe von Daten an Dritte dar (BAG 07.02.2012 – 1 ABR 46/10 – NZA 2012, 744, Rdnr. 43; BAG 14.01.2014 – 1 ABR 54/12 – NZA 2014, 738, Rdnr. 28; Baumann-Czichon u.a., aaO., § 34 Rdnr. 6a). Die Mitarbeitervertretung ist selbst zur Wahrung des Datengeheimnisses verpflichtet.